Vom 12. bis zum 15.November 2015 fand die 10. Tagung des Netzwerks Diversität und Partizipation im Rathaus des 18. Bezirks sowie im Lieu d’Accueil Innovant des 18. Bezirks der Stadt Paris statt.
Das deutsch-französische Netzwerk „Diversität und Partizipation“ führte Akteur/-innen der Jugendarbeit aus Frankreich und Deutschland zusammen, um die internationale Mobilität von Jugendlichen zu fördern. Die Gründung dieses Netzwerks kam nicht von ungefähr: Vor 10 Jahren kamen die beiden Jugendlichen Zyed Benna und Bouna Traoré auf der Flucht vor einer Polizeikontrolle tragisch ums Leben. Daraufhin revoltierten junge Menschen in den Banlieues Frankreichs gegen Ungerechtigkeit und soziale Ausgrenzung. Seitdem wurden gesamte Vororte saniert, aber in der Regel hat sich an der Ghettoisierung ganzer Bevölkerungsschichten nichts geändert. Die Anschläge von Paris im Januar und November 2015 halten uns noch einmal vor Augen, dass eine inklusive Politik für mehr Gerechtigkeit und Partizipation in der Gesellschaft dringend notwendig ist.
In Berlin sorgte der Notruf der Rütli-Schule – der Lehrkörper hatte einen dramatischen Brief über die Situation der Schule verfasst – für Kontroversen über die vermutliche mangelnde Integration der Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Seitdem ist aus der Hauptschule ein moderner und beispielhafter Campus entstanden. Jedoch handelt es sich hier nur um eine Einzelfalllösung für eine vielschichtige Problemlage; die kontroversen Debatten setzen sich derweil in Deutschland fort. Thilo Sarrazin, Pegida-Bewegung und andere geben sich die Klinke in die Hand mit rassistischen oder islamophoben Parolen, und Antisemitismus ist in der Gesellschaft immer noch weit verbreitet.
Nichtsdestotrotz gibt es viele Initiativen, die sich positiv auf die deutsche und französische Gesellschaft auswirken, indem sie gegen Diskriminierungen jeglicher Art (ob aufgrund geographischer oder soziale Herkunft, Religion, Geschlechtsidentität, Gesundheitszustand oder sexueller Orientierung) kämpfen. Und unsere Netzwerkmitglieder haben seit 2006 mehr als 500 deutsch-französische Projekte durchgeführt, an denen mehr als 7000 junge Menschen teilnehmen konnten! Die jungen Teilnehmenden sind Botschafter/-innen des Zusammenlebens und des interkulturellen Denkens. Es liegt jetzt an uns, diesen Weg fortzusetzen und gemeinsam die Arbeit zur Förderung von Diversität und Partizipation fortzusetzen.
Im Rahmen dieser 10. Tagung haben sich die Mitglieder des Netzwerks getroffen und gemeinsam zum Thema „Diversität und Partizipation fördern: Aktuelle Herausforderungen für die internationale Jugendarbeit“ gearbeitet.
Der Ablauf des Netzwertreffens
Aufgrund der Anschläge vom Paris am 13. November fand das 10-jährige Jubiläumstreffen des Netzwerks „Diversität und Partizipation“ in abgeänderter Form statt.
Donnerstag, 12. November
Nach einer feierlichen Eröffnung mit circa 120 Personen durch die Generalsekretäre des DFJW, Béatrice Angrand und Dr. Markus Ingenlath sowie Cédric Dawny, Vertreter des 18. Arrondissement, zuständig für Jugend, und Adji Ahoudian, stellvertretender Bürgermeister des 19. Arrondissement, zuständig für Stadtentwicklung wurde die Arbeit der letzten 10 Jahre und die aktuelle Situation des Netzwerks „Diversität und Partizipation“ durch eine Filmvorführung und die Beiträge von Borris Diederichs, Projektbeauftragter Diversität und Partizipation beim DFJW, und Florian Fangmann, Geschäftsführer des Centre Francais de Berlin, dargestellt.
Während des darauffolgenden Weltcafés zum Thema „Diversität und Partizipation fördern: Aktuelle Herausforderungen für die internationale Jugendarbeit“ in Anwesenheit von Dr. Markus Ingenlath und Béatrice Angrand (DFJW), Christel Hartmann-Fritsch (Stiftung Genshagen), Mireille Gras (Erasmus + Jugend in Aktion), Thibaud Bry (Europäisches Forum für Menschen mit Behinderung (CFHE)), Jouanna Hassoun (Miles e.V. und ehrenamtlich aktiv in der Flüchtlingsarbeit), Julie Bois und Benoit Gobin (SOS-Homophobie), Marie Krumpe Goldsztejn (Feminismus wagen!) konnten sich die Mitglieder des Netzwerks mit den Experten austauschen.
Freitag, 13 November
In den vier thematischen Workshops diskutierten die Mitglieder des Netzwerks am Vormittag über aktuelle Entwicklungen und Methoden:
- Wie kann man das vielseitige Thema Geschichte und Erinnerung in den interkulturellen Jugendbegegnungen angehen?
- Kritischer Konsum: wie können junge Menschen befähigt werden, selbstbestimmt in der Konsumgesellschaft zu handeln?
- Welche pädagogische Antwort auf die Frage „Ich bin Charlie / Ich bin nicht Charlie“?
- Junge Menschen, die Gentrifizierung ihres Viertels und die internationale Jugendarbeit
Und auch die Projektebesuche am Nachmittag vermittelten einen wertvollen Einblick in die Jugendarbeit vor Ort:
- Die Stadt Clichy-sous-Bois
- Musikalisches Zentrum Fleury Goutte d’Or
- LGBT* Zentrum Paris-Île-de-France (ab 17:00)
- 104 - Kunst- und Kulturfabrik
- Sozialzentrum Riquet
- Besuch vor Ort: der Platz Saint Bernard-Saïd Bouziri – Ein Symbol im Kampf für die Rechte von Migrant/-innen
- Hausboot „die große Fantasie“
Etwa 80 Mitglieder des Netzwerks waren beim Freundschaftsspiel Frankreich-Deutschland im Stade de France. Alle konnten nach dem Spiel körperlich unversehrt in die Unterkünfte beziehungsweise nach Hause zurückkehren.
Samstag, 14. November
Am Morgen trafen sich zunächst alle Netzwerkmitglieder, um über das weitere Vorgehen zu diskutieren. Es wurde beschlossen, dass Treffen in einer angepassten Form weiterzuführen.
Aufgrund der Tatsache, dass das Rathaus des 18. Bezirks geschlossen blieb, wurde die Arbeit am Nachmittag in den Räumlichkeiten des Vereines „Les Poussières“ in Aubervilliers fortgesetzt.
In Form eines Open Space wurden die Attentate des Vortages (und Reaktionsmöglichkeiten darauf) diskutiert, der Verein „Atelier Kuso“ besucht, Workshops und Projektbesuche ausgewertet und Aktualitäten aus dem DFJW und dem Centre Francais de Berlin vorgestellt. Anschließend stellte die Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus ihre methodischen Ansätze vor. Zum Abschluss des Tages fand wie geplant eine Tanz- und Livepaintperformance des Vereins GDO (Gread dancers overflow Bobigny) statt.
Sonntag, 15. November
Das denkwürdige 10. Jubiläum des Netzwerks wurde mit einer Projektbörse und den Ausblick ins nächste Jahr beendet. Trotz vieler Diskussionen waren sich aller Teilnehmer bei einem Punkt einig: Jetzt erst recht!
Mehr Infos
Weitere Informationen über das Netzwerk finden Sie unter: www.di-pa.org
Mehr über die Projektausschreibung „Diversität und Partizipation“
Lesen Sie auch das DFJW MAGAZIN #2.2015 – 10 Jahre Netzwerk Diversität und Partizipation
Das Video "10 Jahre Netzwerk Diversität und Partizipation"